DER STREITFALL
Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeber, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeber deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
DIE ENTSCHEIDUNG
Der Betriebsrat verlor vor dem BAG: Er hat nach § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.
BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az.: 1 ABR 22/21
DAS BEDEUTET FÜR SIE ALS BETRIEBSRAT
Das Urteil ist positiv für Betriebsräte und Arbeitnehmer, auch wenn die Arbeitnehmervertretung hier verloren hat. Denn sie konnte nur deswegen nicht mitbestimmen, weil der Arbeitgeber bereits gesetzlich verpflichtet ist, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. Wegen des Gesetzesvorrangs scheidet die Mitbestimmung aus. Doch das BAG macht (so wie der EuGH schon 2019) klar, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit der Beschäftigten erfassen müssen. Das muss nun endlich gesetzlich geregelt werden und wird insbesondere für die Vertrauensarbeitszeit gravierende Folgen haben.