Urteil
/ 17. August 2023

Für Urlaub gilt grundsätzlich eine dreijährige Verjährungsfrist

Dem Kläger wurde sein jährlicher Urlaub von 30 Arbeitstagen nicht gewährt. Bei einer Umstrukturierung der Zusammenarbeit, verlangte der Arbeitnehmer unter anderem Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Der Arbeitgeber berief sich auf die Verjährung des Urlaubsanspruchs. Der Kläger gewann überwiegend vor Gericht.

DER STREITFALL

Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine Flugschule. Er beschäftigte den Kläger seit dem 09.06.2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Am 19.10.2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für den Arbeitgeber tätig werden sollte. Mit seiner Klage verlangte der Arbeitnehmer unter anderem Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Der Arbeitgeber berief sich auf die Verjährung des Urlaubsanspruchs.

DIE ENTSCHEIDUNG

Der Kläger gewann überwiegend vor Gericht. Er hatte insoweit Erfolg, als er vom Arbeitgeber die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 verlangte. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 verlor der Beschäftigte vor dem BAG.

Verjährungsfrist beginnt ohne Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers zu laufen

Das BAG stellte klar, dass auch ein Urlaubsabgeltungsanspruch verjähren kann. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Dabei ist es für den Fristbeginn nicht entscheidend, dass der Arbeitgeber etwa auf die Abgeltung gesondert hinweist. Es geht nur darum, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich endet. Hier besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Urlaubs­anspruch (bei dem der Arbeitgeber Hinweispflichten hat – verstößt er dagegen, wird keine Verjährung in Gang gesetzt) und dem Urlaubsabgeltungsanspruch. Denn letzterer ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf das Nehmen der Urlaubstage gerichtet, sondern auf dessen finanziellen Ausgleich nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses.

Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung

Das BAG urteilte, dass die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange es dem Arbeitnehmer aufgrund einer gegenteiligen Rechtsprechung des BAG nicht zumutbar ist bzw. war. Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Denn damals gab die Rechtsprechung des BAG vor, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH und diesem folgend auch das BAG in den Jahren ab 2018 ihre Rechtsprechung änderten, änderte sich auch die Situation für den Kläger: Denn erst nach dieser fundamentalen Änderung der Rechtsprechung war der Kläger gehalten, die Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen. Denn vorher hätte er zu Recht davon ausgehen dürfen, dass seine Ansprüche sowieso verjährt wären – weshalb also hätte er klagen sollen? Deshalb war seine Klage im Hinblick auf diese vier Jahre erfolgreich.

Sonderfall für das letzte Beschäftigungsjahr

Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass der Arbeitgeber Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben – und damit zu spät.

BAG, Urteil vom 31.01.2023, Az.: 9 AZR 456/20

DAS BEDEUTET FÜR SIE

Dies ist eine weitere Entscheidung des BAG zum Verfall von Urlaub (siehe dazu auch die Ausgaben 4/2023 und 5/2023 von Betriebsrat KOMPAKT). Hier macht das BAG deutlich, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses leichter verjährt als der Anspruch darauf, den Urlaub während des Arbeitsverhältnisses tatsächlich noch zu nehmen. Im letzteren Fall beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Tut er dies nicht, kann der Urlaubsanspruch weder verfallen noch verjähren. Es ist ratsam, die Kollegen über die neue Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf den Verfall bzw. die Verjährung von Urlaubs(abgeltungs)ansprüchen zu informieren. Insbesondere der hier entscheidende Unterschied zwischen Urlaubsansprüchen im laufenden Job und Abgeltungsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist wichtig. Nur wenn diese Bescheid wissen, können sie ihre Rechte rechtzeitig – notfalls gerichtlich – einfordern.

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