Urteil
/ 11. Januar 2024

Diese Corona-Urteile sollten Sie kennen: Kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Tätigkeit im Homeoffice

Leider wird uns die Corona-Pandemie weiter beschäftigen, insbesondere auch am Arbeitsplatz. Daher ist es sinnvoll, aktuelle Gerichtsentscheidungen im Blick zu haben, die wichtige Fragen verbindlich klären.

DER STREITFALL

Geklagt hatte ein Grafiker, der – wie fast alle seiner Kollegen auch – seit Dezember 2020 mit Erlaubnis seines Arbeitsgebers im Homeoffice gearbeitet hatte.  Während der Tätigkeit zu Hause führte der Beschäftigte seine Arbeiten an dem im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Laptop und unter Nutzung einer auf die Ehefrau zugelassenen Grafiklizenz für mehrere Arbeitsplätze aus. Diese Software war über Apple Cloud stets auf dem aktuellen Stand, wohingegen die Technik des  Arbeitgebers auf dem Stand von ca. 2010 ist. Bei der Speicherung von zu Hause erbrachten Grafikleistungen des Arbeitnehmers im Büro des Arbeitgebers kommt es  deshalb zu einem „downgrade“, d. h. zu einer Herabstufung. Dies kann zu einem Verlust bestimmter Eigenschaften führen.

Arbeitgeber ordnete im Februar 2021 die Rückkehr des Mitarbeiters ins betriebliche Büro an

Der Arbeitgeber ordnete gegenüber dem Kläger mit E-Mail vom 24.02.2021 die Anwesenheitspflicht im Büro zu den Bürozeiten 09:00 bis 18:00 Uhr mit entsprechender Mittagspause an. Der Arbeitnehmer wollte aber aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus nicht wieder ins Büro zurückkehren wollte. Er  klagte darauf, dass ihm das Arbeiten aus dem Homeoffice gestattet wird.

DIE ENTSCHEIDUNG

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Dieser ist nicht durch den Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung begründet worden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es nicht. Der Arbeitgeber konnte in diesem Fall überzeugend argumentieren, dass die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht mit der im Büro kompatibel gewesen sei und es zudem Probleme mit dem Datenschutz gab.

Arbeitnehmer kann sich nicht auf Infektionsrisiko berufen

Aber auch unabhängig davon konnte sich der Beschäftigte nicht wirksam darauf berufen, dass er aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleiben dürfe. Er ist zwar  aufgrund seines Lebensalters grundsätzlich einem erhöhten Risiko einer Infektion durch COVID-19 bzw. einem besonders schweren Verlauf dieser Erkrankung  ausgesetzt, benutzte aber für seinen Arbeitsweg regelmäßig das Auto. Im Büro stand dem Arbeitnehmer ein Einzelbüro zur Verfügung, das er nach seinem Belieben  lüften konnte. Hinzu kommt, dass im Büro ein Hygienekonzept galt. Unter diesen Umständen konnte der Arbeitgeber ein Ansteckungsrisiko für den Mitarbeiter  und seine Angehörigen als gering einschätzen.

LAG München, Urteil vom 26.08.2021, Az. 3 SaGa 13/21

DAS BEDEUTET FÜR SIE

Dieses Urteil ist ein weiterer Teil der scheinbar unendlichen Geschichte „(kein) Anspruch auf Homeoffice“. Arbeitsrechtlich betrachtet ist die Sache seit vielen  Jahren relativ eindeutig: Einen gesetzlichen, vor Gericht notfalls einklagbaren Anspruch darauf, dass Beschäftigte zu Hause arbeiten dürfen, gibt es nicht. Das gilt selbst für den speziellen Zeitraum, in dem der Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung liegt: Denn von Januar bis Juni 2021 waren Arbeitgeber im Rahmen der
SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet, wegen der Corona-Pandemie alle Arbeitnehmer ins Homeoffice zu schicken, falls das nur irgendwie möglich  war. Ausnahmen galten nur in seltenen Fällen, z. B. bei zwingenden entgegenstehenden betrieblichen Gründen, wie etwa IT- oder auch Datenschutzproblemen. Interessant an der damals geltenden Verordnung war, dass dadurch Arbeitgeber verpflichtet wurden, entsprechend zu handeln – allerdings verlieh diese Vorschrift  den Arbeitnehmern keinen durchsetzbaren Anspruch darauf, im Homeoffice tätig sein zu können. Das hatte sich der Gesetzgeber selbst in der Notlage während der  Pandemie nicht getraut. Und wenn dann nicht, wann jemals überhaupt? – ist die Frage, die sich geradezu aufdrängt. Zurzeit gibt es offensichtlich keine Pläne, ein  gesetzlich verbrieftes Recht für Arbeitnehmer auf Homeoffice zu verankern.

Damit bleiben nur Tarifverträge, betriebliche oder einzelvertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die einen solchen Anspruch begründen  könnten. Viele Arbeitgeber bieten hier auch schon recht großzügige Lösungen an, die nicht zuletzt dadurch begründet sind, dass Arbeitnehmer solche Angebote in  Zeiten des Fachkräftemangels regelmäßig erwarten.

Erwartbare Entscheidung

Ganz im Zuge der herrschenden Meinung in arbeitsrechtlicher Fachliteratur und Rechtsprechung urteilt das LAG München hier auch erwartbar, dass der Anspruch  auf Homeoffice selbst während der Pandemie nicht bestand, sondern der Arbeitgeber zu Recht die Rückkehr in das betriebliche Büro fordern konnte. Denn laut  Auffassung des Gerichts hat sich der Arbeitgeber auf klare betriebliche Gründe – unterschiedliche technische Ausstattung zwischen häuslichem Arbeitsplatz und  Büro, datenschutz- und wettbewerbsrechtliche Probleme – und Gründe im Verhalten des Beschäftigten – fehlende An- und Abmeldung der Arbeitszeiten sowie fehlende Teilnahme an virtuellen Mitarbeitermeetings – berufen, die für die Weisung ausschlaggebend waren. Er hatte somit überzeugend argumentiert, warum  das Homeoffice hier nicht weiter genutzt werden sollte. Damit handelte er innerhalb seines Ermessensspielraums im Rahmen des Direktionsrechts und seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Eine wichtige Erkenntnis des Urteils ist in diesem Zusammenhang, dass Arbeitgeber selbst darüber entscheiden können, welche technischen Betriebsmittel sie nutzen – im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber etwa das Recht, die – eigentlich veraltete – Technik weiter zu nutzen.  Dies war auch ein legitimer Grund, um den Arbeitnehmer aus dem Homeoffice zurückzubeordern.

Praxis-Tipp
Das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs spielt den Ball in Sachen Recht auf Homeoffice zu den Tarif- bzw. Betriebsparteien, d. h. es sind eigene Lösungen gefragt, um den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht zu werden. In jedem Fall aber dürfte sich die Zeit kaum wieder zurückdrehen lassen: Immer mehr Beschäftigte werden das Homeoffice einfordern und vielen Arbeitgebern bleibt nichts anderes übrig, diese Wünsche zu erfüllen, um die Mitarbeiter nicht zu verlieren.
Betriebsräte sind daher gut beraten, die Kollegen in ihrem Wunsch nach mehr Homeoffice zu unterstützen.

Silke Rohde

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