DER STREITFALL
Der Arbeitgeber produziert an mehreren Standorten Kraftfahrzeuge. Im Frühjahr 2022 fand in einem Werk turnusgemäß die Betriebsratswahl statt. Wegen der Coronapandemie sollten die in der Verwaltung tätigen Beschäftigten im Homeoffice arbeiten – es sei denn, ihre Anwesenheit im Betrieb war unerlässlich. Diese Anordnung galt auch noch zum Zeitpunkt der Wahl. Deshalb übersandte der Wahlvorstand an ca. 26.000 in der Verwaltung tätige Arbeitnehmer unaufgefordert Briefwahlunterlagen. Ab Mitte Februar 2022 kam es im Werk außerdem zu Kurzarbeit. Deswegen beschloss der Wahlvorstand, alle ihm vom Arbeitgeber gemeldeten und zum Wahlzeitpunkt wegen der Kurzarbeit betriebsabwesenden Arbeitnehmer der schriftlichen Stimmabgabe zuzuordnen. Entsprechend erhielten ca. 33.000 Produktionsmitarbeiter Briefwahlunterlagen zugesandt. An der Betriebsratswahl beteiligten sich 39.498 Wahlberechtigte, davon etwa 35.000 im Wege der schriftlichen Stimmabgabe. Einige Mitarbeiter wollten die Wahl anfechten. Nach ihrer Meinung war die Versendung von Briefwahlunterlagen an alle Arbeitnehmer im Homeoffice und in Kurzarbeit unvereinbar mit der Wahlordnung des BetrVG (WO).
DIE ENTSCHEIDUNG
Das BAG entschied, dass der Fall zurückverwiesen wird und das LAG den Sachverhalt weiter ermitteln muss. Die Fälle einer zulässigen Briefwahl sind in der WO abschließend geregelt. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe – ohne dies zu verlangen – diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie zum Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein werden. Allerdings muss noch geklärt werden, ob der Wahlvorstand – insoweit unter Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO – die Briefwahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmer übersandt hat, von denen er wusste, dass sie anwesend sein würden.
BAG, Beschluss vom 23.10.2024, Az.: 7 ABR 34/23
DAS BEDEUTET FÜR SIE
Die grundsätzliche Zulässigkeit der Briefwahl für alle am Wahltag abwesenden Kollegen ist in der WO klar geregelt. Betriebsräte sollten diese Möglichkeit nutzen, damit möglichst viele Arbeitnehmer ihre Stimme abgeben können.