DER STREITFALL
Die Parteien haben über Möglichkeiten der klagenden Gewerkschaft gestritten, im Betrieb der Beklagten digital Werbung zu betreiben. Die Klägerin ist die für den beklagten Arbeitgeber zuständige Gewerkschaft. Im Betrieb sind etwa 5.400 Arbeitnehmer tätig. Ein erheblicher Teil der betriebsinternen Kommunikation findet digital – u. a. über E-Mail, die von Microsoft 365 entwickelte Anwendung Viva Engage und das konzernweite Intranet – statt. Die meisten Arbeitnehmer verfügen über eine unter der Domain des Arbeitgebers generierte – namensbezogene – E-Mail-Adresse. Die Gewerkschaft meinte, ihr müsse für die Mitgliederwerbung ein „Zugang“ zu diesen Kommunikationssystemen eingeräumt werden.
DIE ENTSCHEIDUNG
Die Gewerkschaft verlor vor dem BAG. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Im Einzelfall muss jedoch stets dieses Recht gegen die Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden. Hiervon ausgehend blieb der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag erfolglos. Dies hätte den Arbeitgeber zu sehr in seinen Rechten beeinträchtigt. Auch der hilfsweise Klageantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Dasselbe galt für den Zugang zu Viva Engage oder die Verlinkung der Homepage der Gewerkschaft auf der Webseite des Arbeitgebers. Denn auch dadurch wäre der Arbeitgeber zu sehr belastet worden. Der Gewerkschaft steht es allerdings frei, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. So kann sie Kontakt aufnehmen, ohne den Arbeitgeber zu belasten.
BAG, Urteil vom 28.01.2025, Az.: 1 AZR 33/24
DAS BEDEUTET FÜR SIE
Eine wegweisende Entscheidung in digitalen Zeiten: Wohl zu Recht hat das BAG geklärt, dass Gewerkschaften sich zwar digital an Arbeitnehmer wenden können. Dies darf aber nicht so gestaltet sein, dass der Arbeitgeber dafür Zeit und eventuell Geld aufwenden muss. Stattdessen muss die Gewerkschaft selbst aktiv werden und die Beschäftigten nach ihren E-Mail-Adressen fragen.