DER STREITFALL
In einem Betrieb wurde ein Betriebsratsgremium neu gewählt. Die ehemalige Vorsitzende, die nach der Wahl zunächst aus dem Betriebsrat ausgeschieden war, rückte später als Ersatzmitglied nach. Da sie sich nach ihrer Pause erst wieder einen Überblick verschaffen wollte, sprach sie die jetzige Vorsitzende darauf an, ob sie nicht einen Schlüssel zum BR-Büro und für die verschlossenen sich darin befindlichen Schränke mit Akten bekommen könne. Außerdem bat sie um die Zugangsdaten für das E-Mail-Postfach des Gremiums. Die amtierende Betriebsratsvorsitzende kam diesen Wünschen nicht nach. Dagegen klagte die frühere Vorsitzende.
DIE ENTSCHEIDUNG
Vor Gericht gewann die frühere Betriebsratsvorsitzende. Zur Begründung führten die Richter an, dass jedes einzelne Gremiumsmitglied ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in die Unterlagen des Betriebsrats hat. Um dieses Recht auch in der Praxis gewährleisten zu können, können einzelne Mitglieder auch die Herausgabe der Schlüssel für das Betriebsratsbüro verlangen. Das gilt zumindest dann, wenn das Einblicksrecht nicht auf andere Weise gesichert werden kann. Von dem Recht auf Einsichtnahme ist auch der E-Mail-Verkehr der Arbeitnehmervertretung umfasst. Somit hat die frühere Vorsitzende – genau wie jedes Mitglied des Gremiums – auch einen Anspruch auf die entsprechenden Zugangsdaten. Dies hat der Gesetzgeber deshalb so vorgesehen, damit auch Minderheiten im Betriebsrat geschützt sind und nicht von der Mehrheit im Gremium von Informationen ausgeschlossen werden können.
LAG Thüringen, Beschluss vom 29.06.2021, Az.: 1 TaBVGa 1/21
DAS BEDEUTET FÜR SIE
Konflikte gibt es in den besten Betriebsratsgremien – und doch führt kein Weg daran vorbei, sich weiterhin um eine konstruktive Arbeitsatmosphäre zu bemühen. Dazu gehört auch, dass jedes Mitglied das ihm nach § 34 Abs. 3 BetrVG zustehende Recht auf Einblick in alle Unterlagen des Gremiums inklusive der Ausschüsse wahrnehmen können muss.