FRAGE
Der Betriebsrat unseres Verbandes besteht aus neun Mitgliedern und hat damit Anspruch auf eine Vollzeitstelle als Freistellung. Dies haben wir so gelöst, dass sich die Vorsitzende (mit 22,75 Std.) und der stellvertretende Vorsitzende (mit 15,75 Stunden) diese Freistellung teilen. Das hat auch über Jahre reibungslos geklappt.
Jetzt das Problem: Wir sind ein Flächenverband und haben über unser gesamtes Bundesland unsere Beratungsstellen verteilt. Das Betriebsratsbüro befindet sich in H in der Landesgeschäftsstelle. Ich als Vorsitzende habe meinen Arbeitsplatz ca. 70 km entfernt und mein Stellvertreter ist an einem Standort tätig, der rund 170 km vom Betriebsratsbüro entfernt liegt. Bisher wurden die An- bzw. Heimreisezeiten zum Büro jeweils auch als Arbeitszeit gewertet (Dienstreise). Nunmehr hat mein Kollege eine Mitteilung erhalten, dass lediglich die Anwesenheit in der Landesgeschäftsstelle als Arbeitszeit anerkannt wird. Ist das rechtlich zutreffend?
Ich sehe hier eine klare Schlechterstellung
bzw. Benachteiligung nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Mein
Kollege und ich würden somit jeweils sechs bzw.
acht Stunden pro Woche verlieren.
ANTWORT
Dies ist eine sehr komplexe Frage, die sich im Rahmen des Leserservice nur sehr grundsätzlich beantworten lässt, da der Sachverhalt ganz genau ermittelt werden muss. Dies könnte nur ein Gewerkschaftssekretär oder Rechtsanwalt vor Ort leisten. Grundsätzlich ist Folgendes festzuhalten:
- Wenn Betriebsratsmitglieder innerhalb ihrer Arbeitszeit Reisezeiten haben, um erforderliche Betriebsratsaufgaben außerhalb des Betriebs (bzw. eigenen Arbeitsplatzes) erledigen zu können, sind diese Reisezeiten als Arbeitsversäumnis im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG zu werten. Sie zählen somit als Arbeitszeit und sind zu vergüten.
- Wenn Betriebsratsmitglieder außerhalb ihrer Arbeitszeit Reisezeiten haben, zählt dies nur dann als zu vergütende Arbeitszeit, wenn diese Reise aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erfolgt ist (z. B. Anreise zu GBR-Sitzungen, Betriebsversammlungen etc.).
- Wenn ein Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit zu seinem „normalen“ Arbeitsplatz fährt (z. B. zu BR-Sitzungen), wird dies nicht als Arbeitszeit vergütet, so das BAG (Urteil vom 27.07.2016, Az.: 7 AZR 255/14). Begründung: Bei regulären Arbeitnehmern wird im Regelfall die Fahrzeit von und zum Betrieb nicht vergütet; dies fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, da dieser auch seinen Wohnort frei wählt. Nichts anderes darf daher für Betriebsratsmitglieder gelten. In einem solchen Fall erfolgt daher keine Vergütung.
- Allerdings trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG. Dies umfasst auch Reisekosten für die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb außerhalb der Arbeitszeit zur Durchführung von Betriebsratsarbeit. Wäre dies nicht so, wäre das eine Benachteiligung für das Betriebsratsmitglied im Sinne des § 78 BetrVG (BAG vom 16.01.2008, Az.: 7 ABR 71/06). Dies bezieht sich aber nur auf die Reisekosten und nicht auf eine Vergütung.
Übertragen auf Ihren Fall könnte dies bedeuten, dass Ihre Reisezeiten von Ihren eigentlichen Arbeitsplätzen zum Betriebsratsbüro zu vergüten sind, weil sie als Arbeitsversäumnis i. S. d. § 37 Abs. 2 BetrVG zu werten sind. Dies könnte sich jedoch je nach den Umständen des Einzelfalls auch anders darstellen, sodass hier nur eine individuelle Prüfung Klarheit schafft.