DER STREITFALL
In einem Betrieb gab es eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Die Betriebsvereinbarung regelte ausdrücklich, dass bei einer Überschreitung von max. 40 Stunden des Gleitzeitkontos der jeweilige Vorgesetzte und der betroffene Mitarbeiter einen Plan zur Rückführung der Mehrarbeit auf 40 Stunden zu vereinbaren haben. Zudem war laut Vereinbarung dies dem Betriebsrat unaufgefordert mitzuteilen und dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei einer bewussten Überschreitung des Volumens von 40 Stunden zu berücksichtigen. Dennoch gab es bis Juni 2021 mindestens fünf Arbeitnehmer, die erheblich mehr als 100 Überstunden geleistet hatten. Insgesamt waren im Betrieb bei 21 Mitarbeitern mehr als 40 Überstunden angefallen. Vor Gericht forderte der Betriebsrat daher, dass der Arbeitgeber es künftig unterlässt, gegen die Betriebsvereinbarung zu verstoßen.
DIE ENTSCHEIDUNG
Das Gericht gab dem Betriebsrat recht. Dieser kann vom Arbeitgeber nach § 23 Abs. 3 BetrVG verlangen, dass er sich an die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit hält. Der Arbeitgeber hat von einer Vielzahl von Mitarbeitern eine ganz erhebliche Überschreitung der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Obergrenze von 40 Stunden auf dem Gleitzeitkonto hingenommen. Dass ihm der jeweilige Stand des Gleitzeitkontos zum Stichtag nicht bekannt war, behauptet er selbst nicht. Er kann hierauf durch die Mitarbeiter der Personalabteilung jederzeit zugreifen. Der Einwand des Arbeitgebers, insgesamt hätten noch nicht einmal 2 % der Belegschaft gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen, lässt sein Verhalten nicht in einem milderen Licht erscheinen. Der Arbeitgeber muss in jedem Fall auf deren Einhaltung bestehen.
LAG Hessen, Beschluss vom 6. März 2023, Az.: 16 TaBV 85/22
DAS BEDEUTET FÜR SIE
Klare Entscheidung – klare Sache, sollte man meinen. Es ist erstaunlich, dass ein uneinsichtiger Arbeitgeber ernsthaft glaubt, er müsse sich nicht an eine von ihm selbst geschlossene Betriebsvereinbarung halten. Doch selbstverständlich muss er dies, denn es handelt sich um einen rechtlich bindenden Vertrag. Hält sich eine Partei nicht an die Regelungen, kann die andere Partei einfordern, dass dieses Fehlverhalten abgestellt wird. Genau das ist hier passiert.